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А  Б  В  Г  Д  Е  Ж  З  И  Й  К  Л  М  Н  О  П  Р  С  Т  У  Ф  Х  Ц  Ч  Ш  Щ  Э  Ю  Я  A-Z

 

(1138)

Da sprach von Tronje Hagen: “Kцnnte das geschehn,
Dass ihr eure Schwester euch hold mцchtet sehn,
So kдm zu diesem Lande der Nibelungen Gold:
Des mцgt ihr viel gewinnen, wird uns die Kцnigin hold.” (1139)

Er sprach: “Man solls versuchen: Meine Brьder stehn ihr bei,
Die sollen fьr uns werben, dass sie uns freundlich sei,
Wenn wir den Hort gewinnen, dass sie das gerne sieht.”
“Ich glaube nicht,” sprach Hagen, “dass es jemals geschieht.” (1140)

Da hat er Ortweinen an den Hof zu gehn
Und den Markgraf Gere: Als das war geschehn
Rief man auch Gernoten und Geiselhern das Kind:
Da versuchten bei Kriemhilden sie es freundlich und gelind. (1141)

Da sprach von Burgonden der kьhne Gernot:
“Ihr klagt zu lange, Fraue, um Siegfriedens Tod.
Der Kцnig will euch zeigen, er hab ihn nicht erschlagen;
Man hцrt zu allen Zeiten euch so heftig um ihn klagen.” (1142)

Sie sprach: “Des zeiht ihn niemand, ihn schlug Hagens Hand:
Wo er verwundbar wдre, macht ich ihm bekannt.
Wie konnt ich michs versehen, er trьg ihm solchen Hass!
Ich hдtte wohl vermieden,” so sprach die Kцnigin, “das. (1143)

“Hдtt ich nicht vermeldet seinen schцnen Leib,
So lieЯ ich nun mein Weinen, ich unselig Weib!
Hold werd ich denen nimmer, die das an ihm getan!”
Da begann zu flehen Geiselher, dieser waidliche Mann. (1144)

* Sie sprach: “Ich muss ihn grьЯen, ihr liegt zu sehr mir an.
Von euch ists groЯe Sьnde: Er hat mir angetan
So viel Herzensschwere ganz ohne meine Schuld:
Mein Mund schenkt ihm Verzeihung, mein Herz ihm nimmer die Huld.” (1145)

* “Nun wird es besser werden,” ihre Freunde sprachen so.
“Vielleicht wirds ihm gelingen, dass sie noch werde froh.
Er mags ihr wohl ersetzen,” sprach Gerenot.
Da sprach die Jammersreiche: “Ich tu nach euerm Gebet: (1146)

Ich will den Kцnig grьЯen.” Als er das vernahm,
Mit seinen besten Freunden der Kцnig zu ihr kam.
Da wagte doch Herr Hagen sich nicht zu ihr heran:
Er kannte seine Schuld wohl, er hatt ihr Leides getan. (1147)

Als sie verschmerzen wollte auf Gunther den Hass,
Dass er sie kьssen sollte, wohl ziemte sich ihm das,
Wдr ihr mit seinem Willen das Ьbel nicht geschehn;
So durft er dreistes Mutes immer zu Kriemhilden gehn. (1148)

Es ward mit solchen Trдnen nie eine Sьhne mehr
Gestiftet unter Freunden: Sie schmerzt' ihr Schaden sehr;
Doch verzieh sie allen bis auf den einen Mann:
Erschlagen hдtt ihn niemand, hдtt es Hagen nicht getan. (1149)

Darauf nicht lange wдhrt' es, so stellten sie es an,
Dass Kriemhild die Fraue den groЯen Hort gewann
Vom Nibelungenlande und bracht ihn an den Rhein:
Ihre Morgengabe war es und musst ihr billig eigen sein. (1150)

Nach diesem fuhr da Geiselher und auch Gernot.
Achtzighundert Mannen Frau Kriemhild gebot
Dass sie ihn holen sollten, wo er verborgen lag
Und sein der Degen Alberich mit seinen besten Freunden pflag. (1151)

Als man des Schatzes willen vom Rhein sie kommen sah,
Alberich der Kьhne sprach zu den Freunden da:
“Wir dьrfen ihr wohl billig den Hort nicht entziehn,
Da sein als Morgengabe heischt die edle Kцnigin. (1152)

“Dennoch sollt es nimmer,” sprach Alberich, “geschehn,
Mьssten wir nicht leider fьr uns verloren sehn
Mitsamt Siegfrieden den guten Nebelhut,
Den immer hat getragen Kriemhilds Gemahl, der Degen gut. (1153)

“Nun ist es Siegfrieden leider schlimm bekommen,
Dass uns die Tarnkappe der Held hat genommen,
Und dass ihm dienen musste dieses ganze Land.”
Hin ging der Kammerhьter, wo er des Hortes Schlьssel fand. (1154)

Da standen vor dem Berge die Kriemhild gesandt
Und mancher ihrer Freunde: Man lieЯ den Schatz zur Hand
Zu dem Meere bringen an die guten Schiffelein
Und fьhrt' ihn auf den Wellen bis zu Berg auf den Rhein. (1155)

Nun mцgt ihr von dem Horte Wunder hцren sagen:
Zwцlf Doppelwagen konnten ihn kaum von dannen tragen
In der Tag und Nдchte vieren aus des Berges Schacht,
Und hдtten sie den Weg auch des Tages dreimal gemacht. (1156)

Es war auch nichts anders als Gestein und Gold.
Und hдtte man die Erde erkauft mit diesem Gold,
Um keine Mark vermindert hдtt es seinen Wert.
Wohl hatte sein mit Unrecht der Degen Hagen nicht begehrt. (1157)

Der Wunsch der lag darunter, ein goldnes Rьtelein:
Wer das erkundet hдtte, der mochte Meister sein
Auf der weiten Erde wohl ьber jeden Mann.
Von Albrichs Freunden schlossen Gernoten viele sich an. (1158)

* Als sich Gernot der Degen und der junge Geiselher
Des Hortes unterwanden, da wurden sie auch Herr
Des Landes und der Burgen und der Recken wohlgestalt:
Die mussten ihnen dienen zumal durch Furcht und Gewalt. (1159)

Als sie den Hort gewannen in Kцnig Gunthers Land,
Und sich darob die Kцnigin der Herrschaft unterwand,
Die Kammern und die Tьrme, die wurden voll getragen.
Man hцrte nie von Schдtzen so groЯe Wunder wieder sagen. (1160)

Und wдren auch die Schдtze noch grцЯer tausendmal,
Und wдr der Degen Siegfried erstanden von dem Fall,
Gern wдr bei ihm Kriemhilde geblieben hemdebloЯ.
Nie war zu einem Helden eines Weibes Treue so groЯ. (1161)

Als sie den Hort nun hatte, da bracht er in das Land
Viel der fremden Recken: Wohl gab der Frauen Hand,
Dass man so groЯe Milde nie zuvor gesehn.
sie ьbte hohe Tugend: Das musste man ihr zugestehn. (1162)

Den Armen und den Reichen zu geben sie begann.
Hagen sprach zum Kцnig: “Lдsst man sie so fortan
Noch eine Weile leben, so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen, dass es uns ьbel muss ergehn.” (1163)

Da sprach Kцnig Gunther: “Ihr gehцrt das Gut:
Wie darf er mich bekьmmern, was sie damit tut?
Ich konnt es kaum erlangen, dass sie mir wurde hold;
Nicht frag ich, wie sie teilet ihr Gestein und rotes Gold.” (1164)

Hagen sprach zum Kцnig: “Es vertraut ein kluger Mann
Solche Schдtze nimmer einer Frauen an:
Sie bringts mit ihren Gaben wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen die kьhnen Burgonden mag.” (1165)

Da sprach Kцnig Gunther: “Ich schwur ihr einen Eid,
Dass ich ihr nimmer wieder fьgen wollt ein Leid
Und will es kьnftig meiden: Sie ist die Schwester mein.”
Da sprach wieder Hagen: “Lasst mich den Schuldigen sein.” (1166)

Sie nahmen ihre Eide meistens schlecht in Hut:
Da raubten sie der Witwe das mдchtige Gut.
Hagen aller Schlьssel dazu sich unterwand;
Ihr Bruder Gernot zьrnte, als ihm das wurde bekannt. (1167)

Da sprach der junge Geiselher: “Viel Leides ist geschehn
Durch Hagen meiner Schwester: Dem sollt ich widerstehn:
Wдr er nicht mein Vetter, es ging' ihm an den Leib.”
Wieder neues Weinen begann da Siegfriedens Weib. (1168)

Im Unmut sprach da Gernot: “Eh wir solche Pein
Mit diesem Golde litten, wir solltens in den Rhein
Allzumal versenken: So hцrt es niemand an.”
Sie kam mit Klaggebдrde da zu Geiselher heran. (1169)

Sie sprach: “Lieber Bruder, du sollst gedenken mein,
Des Lebens und des Gutes sollst du ein Vogt mir sein.”
Da sprach er zu der Fraue: “Wohl, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen: Eine Fahrt ist zu bestehn.” (1170)

Gunther und seine Freunde rдumten da das Land.
Die allerbesten drunter, die man irgend fand.
Hagen nur alleine verblieb um seinen Hass,
Den er Kriemhilden hegte: zu ihrem Schaden tat er das. (1171)

Eh der reiche Kцnig wieder war gekommen,
Derweilen hatte Hagen den ganzen Schatz genommen:
Er lieЯ ihn dort bei Lochheim versenken in den Rhein.
Er wдhnt', er sollt ihn nutzen; das aber konnte nicht sein. (1172)

Die Fьrsten kamen wieder, mit ihnen mancher Mann.
Kriemhild den groЯen Schaden zu klagen da begann
Mit Mдgdlein und Frauen: Sie hatten Herzeleid.
Gern war ihnen Geiselher zu aller Treue bereit. (1173)

Da sprachen sie einhellig: “Er hat nicht wohlgetan.”
Bis er zu Freunden wieder die Fьrsten sich gewann
Entwich er ihrem Zorne: Sie lieЯen ihn genesen.
Da kцnnt ihm Kriemhilde wohl nicht feinder sein gewesen. (1174)

Bevor von Tronje Hagen den Schatz also verbarg,
Da hatten sie's beschworen mit Eiden hoch und stark,
Dass er verhohlen bliebe so lang sie mцchten leben:
So konnten sie ihn nicht nutzen noch ihn jemand anders geben. (1175)

Mit neuem Leide wieder belastet war ihr Mut,
Erst um des Mannes Leben und nun da sie das Gut
Ihr so gar benahmen: Da ruht' auch ihre Klage
So lange sie lebte nimmer bis zu ihrem jьngsten Tage. (1176)

Nach Siegfriedens Tode, das ist alles wahr,
Lebte sie im Leide wohl dreizehn Jahr,
Dass ihr der Tod des Recken stets im Sinne lag:
Sie war ihm je getreue; das rьhmen ihr die Meisten nach. (1177)

* Eine reiche Fьrstenabtei stiftete Ute
Nach Dankratens Tode von ihrem Gute,
Mit groЯen Einkьnften, die es noch heute zieht,
Dort zu Lorsch das Kloster, das man in hohen Ehren sieht. (1178)

* Dazu gab auch Kriemhilde hernach ein groЯes Teil,
Um Siegfriedens Seele und aller Seelen Heil,
Gold und Edelsteine mit williger Hand;
Getreuer Weib auf Erden ward uns selten noch bekannt. (1179)

* Seit Kriemhild Kцnig Gunthern hold ward wie zuvor,
Und doch den groЯen Hort dann durch seine Schuld verlor,
Ihres Herzeleides wurde da noch mehr:
Da zцge gern von dannen die Fraue edel und hehr. (1180)

* Nun war Frau Uten ein Sedelhof bereit
Zu Lorsch bei ihrem Kloster, reich, groЯ und weit,
Dahin von ihren Kindern sie zog und sich verbarg,
Wo noch die hehre Kцnigin begraben liegt in einem Sarg. (1181)

* Da sprach die Kцnigswitwe: “Liebe Tochter mein,
Hier magst du nicht verbleiben: Bei mir denn sollst du sein
Zu Lorsch in meinem Hause und lдsst dein Weinen dann.”
Kriemhilde gab ihr Antwort: “Wo lieЯ ich aber meinen Mann?” (1182)

* “Den lass nur dort verbleiben,” sprach Frau Ute.
“Nicht woll es Gott vom Himmel,” sprach die Gute.
“Meine liebe Mutter, davor will ich mich wahren,
Nein, er muss von hinnen in Wahrheit auch mit mir fahren.” (1183)

* Da schuf die Jammersreiche, dass man ihn erhub
Und sein Gebein, das edle, wiederum begrub
Zu Lorsch bei dem Mьnster, mit Ehren mannigfalt:
Da liegt im langen Sarge noch der Degen wohlgestalt. (1184)

* Zu denselben Zeiten, da Kriemhild gesollt
Zu ihrer Mutter ziehen, wohin sie auch gewollt,
Da musste sie verbleiben, weil es nicht sollte sein:
Das schufen neue Mдren, die da kamen ьber Rhein. (1185)



20. Abenteuer
Wie Kцnig Etzel um Kriemhilden sandte


Das war in jenen Zeiten, als Frau Helke starb
Und der Kцnig Etzel um andre Frauen warb,
Da rieten seine Freunde in Burgondenland
Zu einer stolzen Witwe, die war Frau Kriemhild genannt. (1186)

Seit dahingestorben der schцnen Helke Leib
Sie sprachen: “So gewinnen ihr wollt ein edel Weib,
Die Hцchste und die Beste, die ein Kцnig je gewann,
So nehmet Kriemhilden; der starke Siegfried war ihr Mann.” (1187)

Da sprach der reiche Kцnig: “Wie ginge das wohl an,
Bin ich doch ein Heide, der die Taufe nicht gewann;
Und sie ist eine Christin: Sie nimmt mich nimmermehr.
Ein Wunder mьsst es heiЯen, kдm sie jemals hieher.” (1188)

Da sprachen die Schnellen: “Vielleicht, dass sie es tut
Um euern hohen Namen und euer groЯes Gut.
Man soll es doch versuchen bei dem edeln Weib:
Euch ziemte wohl zu minnen ihren waidlichen Leib.” (1189)

Da sprach der edle Kцnig: “Wem ist nun bekannt
Unter euch am Rheine das Volk und auch das Land?”
Da sprach von Bechlaren der gute Rьdiger:
“Mir sind die edeln Kцnige kund von Kindesjahren her, (1190)

Gunther und Gernot, die edeln Ritter gut;
Der dritte heiЯet Geiselher: Ein Jeglicher tut
Was er nach bester Sitte und Tugend mag begehn;
Auch ist von ihren Ahnen noch stets dasselbe geschehn.” (1191)

Da sprach wieder Etzel: “Freund, du sollst mir sagen,
Ob sie in meinem Lande wohl soll die Krone tragen
Und ob ihr Leib so schцn ist als mir ward gesagt,
Von meinen besten Freunden wird es nimmer beklagt.” (1192)

“Sie vergleicht sich an der Schцne wohl der Frauen mein,
Helke, der reichen: Nicht schцner kцnnte sein
Auf der weiten Erde eine Kцnigin:
Wen sie erwдhlt zum Freunde, der mag wohl trцsten seinen Sinn. (1193)

“Und wisse, edler Kцnig, stehst du darob nicht an,
Sie war dem besten Manne, Siegfrieden untertan,
Dem Sohne Siegmundens; du hast ihn hier gesehn:
Man mocht ihm groЯe Ehre wohl in Wahrheit zugestehn.” (1194)

Da sprach Kцnig Etzel: “War sie des Recken Weib,
So war wohl also teuer des edeln Fьrsten Leib,
Dass ich nicht verschmдhen darf die Kцnigin:
Ob ihrer groЯen Schцnheit gefдllt sie wohl meinem Sinn.” (1195)

Er sprach: “So wird sie, Rьdiger, so lieb als ich dir sei.
Und lieg ich Kriemhilden je als Gatte bei,
Das will ich dir vergelten so gut ich immer kann;
Auch hast du meinen Willen mit aller Treue getan. (1196)

“Von meinem Kammergute lass ich so viel dir geben,
Dass du mit den Gefдhrten in Freuden mцgest leben;
Von Rossen und Gewanden was ihr nur begehrt,
Das wird zu dieser Botschaft auf mein GeheiЯ euch gewдhrt.” (1197)

Zur Antwort gab der Markgraf, der reiche Rьdiger:
“Unlцblich wдr es, hдtt ich deines Guts Begehr.
Ich will dein Bote gerne werden an den Rhein
Mit meinem eignen Gute; ich hab es aus den Hдnden dein.” (1198)

Da sprach der reiche Kцnig: “Wann denkt ihr zu fahren
Zu der Minniglichen? So soll euch Gott bewahren
Dabei an allen Ehren und auch die Fraue mein:
Und mag das Glьck mir helfen, dass sie uns gnдdig mцge sein.” (1199)

Da sprach wieder Rьdiger: “Eh wir rдumen dieses Land
Mьssen wir uns rьsten mit Waffen und Gewand,
Dass wir vor den Kцnigen mit Ehren dьrfen stehn:
Ich will zum Rheine fьhren fьnfhundert Degen ausersehn. (1200)

“Wenn man in Burgonden mich und die Meinen seh,
Dass dann einstimmig das Volk im Land gesteh,
Es habe nie ein Kцnig so manchen kьhnen Mann
So fern daher gesendet als du zum Rheine getan.” (1201)

Da sprach der Markgraf wieder: “Wohlan, ich will euch sagen,
Wir heben uns von hinnen in vierundzwanzig Tagen.
Ich entbiet es Gotlinden, der lieben Fraue mein,
Dass ich zu Kriemhilden selber wolle Bote sein.” (1202)

Rьdiger sandte Boten nach Bechlaren hin.
Darьber wurde traurig und froh die Markgrдfin;
Er entbot ihr, fьr den Kцnig werb er um ein Weib:
Da gedachte sie mit Liebe an der schцnen Helke Leib. (1203)

Als die Botenkunde die Markgrдfin gewann,
Leid war es ihr zum Teile, zu sorgen hub sie an,
Ob sie wohl eine Herrin gewдnne so wie eh?
Gedachte sie an Helke, das tat ihr inniglich weh. (1204)

Nach sieben Tagen Rьdiger ritt aus Ungerland,
Worьber wohl gemutet man Kцnig Etzeln fand.
Man fertigte die Kleider in der Stadt zu Wien:
Da wollt er mit der Reise auch nicht mehr lдnger verziehn. (1205)

Zu Bechlaren harrte sein Frau Gotelind.
Die junge Markgrдfin, Herrn Rьdigers Kind,
Sah ihren Vater gerne und die in seinem Bann;
Da ward ein liebes Harren von schцnen Frauen getan. (1206)

Eh der edle Rьdiger aus der Stadt zu Wien
Ritt nach Bechlaren, da waren hier fьr ihn
Die Kleider wohl bereitet auf Sдumern angekommen;
Sie fuhren solcherweise, dass ihnen wenig ward genommen. (1207)

Als sie zu Bechlaren kamen in die Stadt,
Fьr seine Heergesellen um Herbergen bat
Der wirt mit holden Worten: Wohl pflegte man sie da.
Die reiche Gotlinde den Wirt gar gerne kommen sah. (1208)

Auch seine liebe Tochter, die Markgrдfin jung,
Ob ihres Vaters Kommen war sie froh genung.
Aus Heunenland die Helden, wie gerne sie die sah!
Mit lachendem Mute sprach die edle Jungfrau da: (1209)

“Nun seid mit Gott willkommen, mein Vater und sein Bann.”
Da ward ein schцnes Danken von manchem werten Mann
Mit allem FleiЯ geboten der jungen Markgrдfin.
Wohl kannte Gotelinde des edeln Rьdiger Sinn. (1210)

Als des Nachts Gotlinde bei Rьdigern lag,
Da frug mit holden Worten die Markgrдfin nach,
Wohin ihn denn gesendet der Fьrst von Heunenland?
Er sprach: “Meine Frau Gotlinde, ich mach es gern euch bekannt: (1211)

“Meinem Herren werben soll ich ein ander Weib,
Da ihm ist erstorben der schцnen Helke Leib;
Da will ich zu Kriemhilden reiten an den Rhein:
Die soll hier bei den Heunen vielgewaltge Herrin sein.” (1212)

“Das wollte Gott!”, sprach Gotlind, “mцchte das geschehn,
Da wir so hohe Ehren ihr hцren zugestehn.
Sie ersetzt uns meine Fraue vielleicht in alten Tagen:
Wir mцgen bei den Heunen sie gerne sehen Krone tragen.” (1213)

Da sprach der Markgraf Rьdiger: “Liebe Fraue mein,
Die mit mir fahren sollen von hinnen an den Rhein,
Denen sollt ihr minniglich bieten euer Gut:
Wenn Helden reichlich leben, so tragen sie hohen Mut.” (1214)

Sie sprach: “Da ist nicht einer, wenn er es gerne nдhm,
Dem ich nicht willig bцte was jeglichem genehm,
Eh ihr von hinnen scheidet und die in euerm Bann.”
“So wird mir,” sprach der Markgraf, “ein Gefallen getan.” (1215)

Hei! Was man reicher Zeuche von ihrer Kammer trug!
Da ward den edeln Recken Gewand zu Teil genug
Mit allem FleiЯ gefьttert vom Hals bis auf die Sporen.
Die ihm davon gefielen hatte Rьdger sich erkoren. (1216)

An dem siebenten Morgen von Bechlaren ritt
Der Wirt mit seinen Recken. Sie fьhrten Waffen mit
Und Kleider auch die Fьlle durch der Baiern Land.
Sie wurden auf der StraЯe von Rдubern selten angerannt. (1217)

Binnen zwцlf Tagen kamen sie an den Rhein.
Da konnte diese Mдre nicht lang verborgen sein;
Dem Kцnig und den seinen ward es kundgetan,
Es kдmen fremde Gдste. Der Wirt zu fragen begann, (1218)

O sie jemand kenne? Das solle man ihm sagen.
Man sah die Saumrosse schwere Lasten tragen:
Wie reich die Helden waren, das ward da wohl erkannt;
Herberge schuf man ihnen in der weiten Stadt zur Hand. (1219)

Als die Unbekannten waren angekommen.
Da ward der fremden Gдste mit Neugier wahrgenommen;
Sie wunderte, von wannen sie kдmen an den Rhein.
Der Wirt fragte Hagen, wer die Herren mцchten sein? (1220)

“Noch hab ich sie nicht gesehn:”, sprach den Tronje Hagen,
“Wenn wir sie erschauen will ich euch wohl sagen
Von wannen sie geritten kommen in dies Land;
Wie fremd sie immer wдren, so sind sie gleich mir bekannt.” (1221)

Man hatte Herbergen den Gдsten nun genommen.
Der Bote war in reichen Kleidern angekommen
Mit seinen Heergesellen, als sie zu Hofe ritten.
Sie trugen gute Kleider, die waren zierlich geschnitten. (1222)

Da sprach der schnelle Hagen: “So viel ich mag verstehn,
Da ich seit langen Tagen den Herrn nicht hab ersehn,
So sind sie so gekleidet als wдr es Rьdiger
Aus dem Heunenlande, dieser Degen kьhn und hehr.” (1223)

“Wie sollt ich das wohl glauben?”, sprach Gunther gleich zur Hand,
“Dass der von Bechelaren kдm in dieses Land?
Kaum hatte der Kцnig das Wort gesprochen gar,
Da nahm der kьhne Hagen den guten Rьdiger wahr. (1224)

Er und seine Freunde liefen alle hin;
Da sprangen von den Rossen fьnfhundert Degen kьhn.
Wohl empfangen wurden die von Heunenland;
Niemals trugen Boten wohl so herrliches Gewand. (1225)

Da rief von Tronje Hagen mit lauter Stimme Schall:
“Nun seien uns willkommen diese Degen all,
Der Vogt von Bechlaren mit seinem ganzen Lehn.”
Der Empfang war mit Ehren den schnellen Heunen geschehn. (1226)

Des Kцnigs nдchste Freunde drдngten sich heran.
Da hub von Metzen Ortewein zu Rьdigern an:
“Wir haben lange Tage hier nicht mehr gesehn
So willkommne Gдste, das muss ich wahrlich gestehn!” (1227)

Sie dankten fьr den Willkomm den Recken allzumal.
Mit ihrem Heergesinde gingen sie zum Saal,
Wo sie den Kцnig fanden bei manchem kьhnen Mann.
Der erhob sich von dem Sitze, das ward aus hцfscher Zucht getan. (1228)

Wie freundlich den Boten er entgegenging!
Den Gast mit seinen Leuten minniglich empfing
Gunther mit Gernoten; er durft es ohne Scham.
Rьdiger den guten bei der Hand der Kцnig nahm. (1229)

Er fьhrt' ihn zu dem Sitze, worauf er selber saЯ.
Den Gдsten lieЯ er schenken (gerne tat man das)
Von dem guten Mete und von dem besten Wein,
Den man nur mochte finden in den Landen um den Rhein. (1230)

Geiselher und Gere waren auch gekommen;
Dankwart und Volker, die hatten bald vernommen
Von den fremden Gдsten. Sie waren wohlgemut:
Sie empfingen vor dem Kцnige die Ritter edel und gut. (1231)

Da sprach von Tronje Hagen zu Gunthern seinem Herrn:
“Ihm sollten es vergelten diese Recken gern,
Was uns der Markgraf alles zu Liebe hat getan:
Des sollte Lohn empfangen der schцnen Gotelinde Mann.” (1232)

Da sprach Kцnig Gunther: “Ich lasse nicht das Fragen:
Wie beide sich gehaben, das sollt ihr mir sagen,
Etzel und Frau Helke in der Heunen Land?”
Der Markgraf versetzte: “Ich mach es gern euch bekannt.” (1233)

Da erhob er sich vom Sitze mit seinem ganzen Bann
Und sprach zu dem Kцnige: “Wenn ichs erlangen kann,
Dass ihr es, Herr, erlaubet, so hehle nichts mein Mund:
Die Mдre, die ich bringe, die mach ich willig euch kund.” (1234)

Er sprach: “Was man uns immer durch euch entboten hat
Erlaub ich euch zu sagen ohne der Freunde Rat.
Die Mдre lasset hцren mich und die Degen mein:
Euch soll nach allen Ehren zu werben hier verstattet sein. (1235)

Da sprach der biedre Bote: “Euch entbietet an den Rhein
Seine treuen Dienste der groЯe Kцnig mein,
Dazu den Freunden allen, die euch zugetan;
Auch wird euch diese Botschaft mit aller Treue getan. (1236)

“Euch lдsst der edle Kцnig klagen seine Not:
Sein Volk ist arm an Freude, meine Fraue die ist tot,
Helke die reiche, meines Herrn Gemahl:
An der ist nun verwaiset schцner Jungfraun groЯe Zahl, (1237)

“Edler Fьrsten Kinder, die sie erzogen hat:
Daher hat nun im Lande so groЯe Trauer Statt.
Es ist nun leider niemand, der sie so treulich pflegt.
Drum wдhn ich auch, dass selten des Kцnigs Sorge sich legt.” (1238)

“Nun lohn ihm Gott,” sprach Gunther, “dass er die Dienste sein
So williglich entbietet mir und den Freunden mein.
Ich hцrte gern die GrьЯe, die ihr mir kund getan;
Ihm sollen gerne dienen meine Freunde wie mein Bann.” (1239)

Da sprach von Burgonden der Recke Gernot:
“Die Welt mag immer klagen um der schцnen Helke Tod,
Der hohen Tugend willen, die sie gewohnt zu pflegen.”
Das bestдtigte Hagen und noch mancher andre Degen. (1240)

Da sprach wieder Rьdiger, der edle Bote hehr:
“Erlaubt ihr mir, Herr Kцnig, so sag ich euch noch mehr,
Was mein lieber Herre euch hieher entbot:
Er lebt in groЯem Kummer seit der Kцngin Helke Tod. (1241)

Man sagte meinem Herren, Kriemhild sei ohne Mann.
Herr Siegfried ist gestorben: Log man nicht daran
Und wollt ihr es vergцnnen, so soll sie Krone tragen
Ьber Etzels Recken: Das gebot mein Herr ihr zu sagen.” (1242)

Da sprach der reiche Kцnig mit wohl gezogenem Mut:
“Es ist nach meinem Willen, wenn sie es gerne tut.
Das will ich euch verkьnden in diesen dreien Tagen:
Wenn sie es nicht verweigert, wie sollt ichs Etzeln versagen?” (1243)

Herberge ward den Gдsten beschieden gleich zur Hand.
Sie wurden so bedienet, das Rьdiger gestand,
Er habe gute Freunde in Kцnig Gunthers Bann.
Ihm diente Hagen gerne, er hatt ihm Gleiches einst getan. (1244)

So verweilte Rьdiger bis an den dritten Tag.
Der Fьrst berief die Rдte, wie er weislich pflag,
Und frug, ob es die Freunde dдuchte wohlgetan,
Dass Kriemhilde nдhme den edeln Kцnig zum Mann. (1245)

Da rieten sie es alle; nur Hagen stands nicht an.
Der begann zu Gunther, dem kьhnen Helden, an:
“Habt ihr kluge Sinne, so seid wohl auf der Hut,
Wenn sie auch folgen wollte, dass ihr doch nimmer es tut.” (1246)

“Warum,” sprach da Gunther, “lieЯ ichs nicht ergehn?
Was kьnftig noch der Kцnigin Liebes mag geschehn,
Will ich ihr gerne gцnnen: Sie ist die Schwester mein.
Wir mьssten selbst drum werben, sollt es ihr zur Ehre sein.” (1247)

“Lasst solche Rede bleiben,” fiel Hagen wieder ein:
“Wenn euch wie mir Herr Etzel kund sollte sein,
Und lieЯt ihr sie ihn minnen, wie ich euch hцre sagen,
Das mьsstet ihr vor allen mit vollem Rechte beklagen.” (1248)

“Warum?”, sprach da Gunther, “leicht vermeid ich das:
Ich komm ihm nie so nahe, dass ich durch seinen Hass
Leid zu befahren hдtte, wьrd er auch ihr Mann.”
Da sprach wieder Hagen: “Es ist nimmer wohlgetan.” (1249)

Da lud man Gernoten und Gelselhern heran,
Ob es die Herren beide dдuchte wohlgetan,
Wenn Kriemhilde nдhme den reichen Kцnig hehr.
Noch wiederriet es Hagen und auch anders niemand mehr. (1250)

Da sprach von Burgonden Geiselher der Degen:
“Nun mцgt ihr, Freund Hagen, noch der Treue pflegen:
Entschдdigt sie des Leides, ihr habt ihr viel getan.
Was ihr noch mag gelingen, ihr sollt sie nicht verhindern dran. (1251)

Wohl habt ihr meiner Schwester gefьgt so manches Leid.”
Sprach da wieder Geiselher, Der Degen allbereit,
“Ihr hдttet es verdienet, wдre sie euch gram:
Wohl niemand einer Frauen so viel der Freuden benahm.” (1252)

“Dass ich das wohl erkenne, das sei euch frei bekannt.
Und soll sie Etzel nehmen und kommt sie in sein Land,
Wie sie es immer fьge, viel Leid tut sie uns an.
Wohl kommt in ihre Dienste da mancher waidliche Mann.” (1253)

Dawider sprach zu Hagen der kьhne Gernot:
“Es mag dabei verbleiben bis an beider Tod,
Dass wir niemals kommen in Kцnig Etzels Land.
Lasst uns ihr treulich dienen, wie uns die Ehre des ermahnt.” (1254)

Da sprach wieder Hagen: “Das mag mir niemand sagen.
Und soll die edle Kriemhild Helkens Krone tragen,
Viel Leid wird sie uns schaffen, wie sie's nur fьgen kann:
Ihr sollt es bleiben lassen, das stдnd euch Recken besser an.” (1255)

Im Zorne sprach da Geiselher, der schцnen Ute Kind:
“Wir sollen doch nicht alle meineidig sein gesinnt!
Was Liebes ihr geschehe, wir wollen froh drum sein;
Was ihr auch redet, Hagen, ich dien ihr nach der Treue mein.” (1256)

Als das Hagen hцrte, da trьbte sich sein Mut.
Geiselher und Gernot, die stolzen Ritter gut,
Und Gunther der reiche, zuletzt vereinten sich:
Wenn es Kriemhild wьnsche, sie wolltens dulden williglich. (1257)

Da sprach Markgraf Gere: “Ich will der Fraue sagen,
Dass sie den Kцnig Etzel sich lasse wohlbehagen.
Dem sind so viel der Recken mit Ehrfurcht untertan,
Er mag ihr wohl vergьten was sie je Leides gewann.” (1258)

Hin ging der schnelle Degen, wo er Kriemhilden sah.
Sie empfing ihn gьtlich; wie balde sprach er da:
“Ihr mцgt mich gern begrьЯen und geben Botenbrot;
Es will das Glьck euch scheiden nun von aller eurer Not. (1259)

Es hat um eure Minne, Fraue, hergesandt
Der allerbesten Einer, der je ein Kцnigsland
Gewann mit vollen Ehren und Krone durfte tragen:
Es werden edle Ritter, das lдsst euch euer Bruder sagen,” (1260)

Da sprach die Jammersreiche: “Verbieten soll euch Gott
Und allen meinen Freunden, dass sie keinen Spott
Mit mir Armen treiben: Was sollt ich einem Mann,
Der je Herzensliebe von gutem Weibe gewann?” (1261)

Sie widersprach es heftig. Da traten zu ihr her
Gernot ihr Bruder und der junge Geiselher.
Sie baten sie in Liebe und trцsteten ihr den Mut:
“Wenn sie den Kцnig nehme, es gerat ihr wahrlich gut.” (1262)

Bereden mochte niemand das tugendreiche Weib.
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